101 Jahre Einsatz für Bedürftige
Die Viko Töss feiert 2025 ihren 101 Geburtstag. Sie ist ein kleiner Verein von freiwilligen Helferinnen und Helfern und Teil der Schweizerischen Vinzenzkonferenzen. |
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Christiane Faschon: Wie wurde die Viko Töss gegründet?
Daniela Stadelmann: Die Viko Töss hat letztes Jahr ihr hundertjähriges Bestehen gefeiert. In Winterthur gab/gibt es mehrere Pfarreien und damit auch mehrere Vinzenzkonferenzen. Die Viko unser Pfarrei St. Josef entstand mit ihrer Gründungsversammlung am 13. April 1924.
C.F.: Wenn Sie die 101 Jahre überblicken- was waren die wichtigsten Ereignisse?
D.S.: Ich kann zwei nennen: Die Gründung und ab den 2000er Jahren die Einrichtung der professionellen Sozialdienste in den sieben Pfarreien von Winterthur, durch welche der direkte Bezug zu den Bedürftigen wegfiel.
C.F.: Wie hat sich die Arbeit dadurch verändert?
D.S.: Das gewachsene Bewusstsein des Persönlichkeitsschutzes spielt dabei eine Rolle. Seit der Einführung der professionellen Sozialdienste in den Pfarreien arbeitet die Viko eng mit dem pfarreilichen Sozialarbeiter/der Sozialarbeiterin zusammen. In der Regel gibt es keine direkten Anträge an die Viko mehr, sondern diese kommen anonymisiert durch den Sozialdienst. Der persönliche Kontakt mit den zu unterstützenden Personen fällt komplett weg, was deren Persönlichkeit sicher besser schützt.
C.F.: Was sind die wichtigen Eckpunkte der Arbeit heute?
D.S.: Einerseits sind es die unbürokratische finanzielle Hilfe, andererseits die sehr geschätzten Besuche innerhalb der Pfarrei und die Weihnachtsaktion.
C.F.: Wie hat sich die Mitarbeit der Frauen entwickelt?
D.S.: Ich weiss nicht, seit wann sich tatsächlich mehrheitlich Frauen in der Viko betätigen; jedenfalls gab es in den letzten Jahrzehnten sowohl Männer als auch Frauen, welche auch das Präsidium innehatten.
C.F.: Wie hat sich allgemein der Verein verändert?
D.F.: Für den Verein spielt die Religionszugehörigkeit der unterstützten Personen schon lange keine Rolle mehr. Ebenso fallen bei der Beurteilung von Notlagen moralische Überlegungen seit Jahrzehnten völlig weg. Der Altersdurchschnitt der Mitglieder des Vereins ist heute – wie in so vielen kirchlichen (auch nichtkirchlichen) Vereinen existenzbedrohend angestiegen…
C.F.: Warum engagieren Sie sich persönlich?
D.F.: Ich bin sehr überzeugt davon, dass unsere Gesellschaft das Engagement von Freiwilligen braucht und nicht alles professionalisiert und damit delegiert werden kann. Ich schätze den gemeinsamen Einsatz mit motivierten Menschen sehr; in ihrem Kreis muss ich mich auch nicht rechtfertigen, weshalb ich mich engagiere – sie tun ja das Gleiche mit ebensolcher Überzeugung.
C.F.: Wie sehen Sie die Arbeit heute?
D.S.: Geben und Nehmen kann beidseits Freude und andere positive Gefühle auslösen. Mit der allgemeinen Entwicklung/Atomisierung unserer Gesellschaft wird es immer schwieriger, persönliche Nöte überhaupt wahrzunehmen. Persönliche Begegnungen bleiben existenziell wichtig für uns Menschen. Auch tätige Kolleginnen und Kollegen in der Viko müssen einander motivieren.
C.F.: Wie sehen Sie die Veränderung für die Zukunft?
D.S.: Grundsätzlich geht es ja nicht ums Feiern von Vergangenem, sondern darum, sich auch immer wieder neuen Herausforderungen zu stellen und sich zu verändern.
C.F.: Wie kann es gelingen, neue Mitglieder zu gewinnen?
D.S.: Fast nur durch persönliches Ansprechen. Wichtig bleibt aber auch, dass die Viko in ihrer Pfarrei sich und ihren Einsatz immer wieder vorstellt und die Mitglieder darüber sprechen.
C.F.: Wie würden Sie die Arbeit zusammenfassen?
D.S.: Not wahrnehmen – Not lindern – Hoffnung geben. Gemeinsam lässt sich vieles bewegen, zusammen Gutes zu tun schenkt auch viel Freude.
C.F.: Danke für das Gespräch.
Interview: Christiane Faschon
St. Gallen, Ende April 2025 von Christiane Faschon