Aktuelles im Februar 2025

Warum verzichten Menschen auf Sozialhilfe?

Der Bund erklärt, die Quote für die Sozialhilfe sei 2024 so tief wie noch nie. Etwa 250’000 Menschen bezogen letztes Jahr Sozialhilfe, 7100 weniger als im Jahr davor. Doch die Caritas betont, dass das nichts über die Anzahl der Ärmsten in der Schweiz aussagt.

Wie kann das sein, dass es offiziell so wenig Arme wie noch nie in der Schweiz gibt, wo die Teuerung, die Krankenkassenprämien und die Konsumentenpreise doch im letzten Jahr massiv gestiegen sind? Und dazu die Löhne keineswegs entsprechend nachzogen?

Der Bund verweist auf den stabilen Arbeitsmarkt. Sie heben ausserdem besonders den Rückgang bei AusländerInnen, Geschiedenen und Kindern hervor, dort sei er überdurchschnittlich.

Verzicht auf Unterstützung

Die Schweizerische Konferenz für Sozialhilfe SKOS lobt zwar die Sozialhilfe als Modell. Sie verweist aber darauf, dass jede dritte Person, die Anrecht auf Sozialhilfe hätte, diese nicht in Anspruch nimmt. Die Betreffenden gehen lieber zu Hilfswerken wie der Caritas, wo sie verbilligte Lebensmittel und Kleidung erhalten können. Andere müssen wegen der massiven Mietpreise Notunterkünfte beziehen.

Dies bestätigt die Caritas. Viele würden aus Scham auf die Sozialhilfe verzichten, sie empfinden die Armut als Schande. Andere tun dies aus Angst, weil sie die damit verbundene Verschuldung fürchten – oft muss diese Hilfe zurückbezahlt werden. AusländerInnen fürchten zudem um ihren Aufenthaltsstatus.

Bei anerkannten Flüchtlingen ist die Quote ganz leicht gesunken, von 81 auf 80 Prozent. Nach acht Jahren Aufenthalt sind es dann noch etwa 57 Prozent.

   

Viele nehmen darum prekäre Arbeitsstellen an: Sie arbeiten für tiefe Löhne, auf Abruf oder in Teilzeitpensen, die für ihren Lebensunterhalt nicht ausreichen, sie werden sogenannte working poor.

Darum sagt die tiefe Sozialhilfequote nichts über die Armut in der Schweiz aus. Der stabile Arbeitsmarkt hilft nur einem Teil der Betroffenen. Dazu steigt die Arbeitslosenquote: Im November 24 lag sie bei 2,6 Prozent, um 0,1 Prozent höher als im Vormonat. Gegenüber dem Vorjahresmonat lag sie um 0,5 Prozente höher.

Armut ist keine Schande

Die Statistik sagt also nichts darüber aus, wie dringend auch die Vinzenzkonferenzen mit ihrem Einsatz gebraucht werden. Neben der praktischen Hilfe ist es aber auch ein wichtiger Punkt, gegen die Scham wegen der Armut anzugehen. Diese hindert ja Menschen, gesetzliche Hilfe in Anspruch zu nehmen und verschärft die Situation zusätzlich.

Hier ist der Glaube eine wichtige Ressource. Gott spricht jedem Menschen die gleiche Würde zu, ob arm oder reich. «Schaffet Recht dem Armen und der Waise und helft dem Elenden und Bedürftigen zum Recht» heisst es im Psalm 82,3. Dazu gehört auch, Menschen zu ermutigen und sie dabei zu unterstützen, ihr Recht in Anspruch zu nehmen.

St. Gallen, Ende Januar 2025 von Christiane Faschon

 

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